Die SPD-Landtagsfraktion NRW hat in dieser Woche ein Positionspapier zum Thema Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Sie fordert die Abschaffung der Paragrafen 218 und 219. Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht ins Strafgesetzbuch! Sie fordert ein Selbstbestimmungsrecht für Frauen statt Bevormundung und Kriminalisierung.
Selbstbestimmung statt Bevormundung!
Der heutige Paragraph 218 StGB entstammt dem Reichsstrafgesetzbuch aus dem Jahr 1871. Seit 150 Jahren werden Schwangerschaftsabbrüche entsprechend der Rechtslage als Straftat eingeordnet und somit als kriminelle Handlung bewertet. Diese Form der Kriminalisierung steht dem Selbstbestimmungsrecht von Menschen völlig entgegen.
Rund um das Thema Schwangerschaftsabbrüche hat sich eine Tabuisierung in der Gesellschaft verfestigt und so dazu beigetragen, dass sich das Strafgesetzbuch weiterhin als Instanz für die Bewertung von Schwangerschaftsabbrüchen manifestiert. Der Kampf um die Streichung des Paragraphen ist so alt wie dieser selbst. Wir stehen hinter den Akteurinnen und kämpfen mit ihnen für eine Streichung des § 218 aus dem StGB. Es ist nicht zu tolerieren, dass ein 150 Jahre alter Paragraph das Selbstbestimmungsrecht von Menschen im 21. Jahrhundert bestimmt. Eine Bevormundung durch ein Gesetz, welches in einer von Kirche und Patriachat dominierten Zeit entstanden ist, widerspricht unserem Bild einer gleichberechtigten Gesellschaft.
In Deutschland hatte statistisch gesehen ca. jede vierte Frau schon einmal in ihrem Leben einen Schwangerschaftsabbruch. Das macht Schwangerschaftsabbrüche zu einem der häufigsten gynäkologischen Eingriffe.
Neben den vorhandenen Strukturen für eine verlässliche medizinische Gesundheitsversorgung vor, während und nach einer Schwangerschaft, müssen wir auch die notwendigen medizinischen Rahmenbedingungen bereitstellen, wenn es zu einer Entscheidung für einen Abbruch der Schwangerschaft kommt. Es fehlen Ärztinnen, die Abbrüche auf dem neuen Stand der Medizin durchführen. Die jetzige Rechtslage und die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hält Ärztinnen davon ab, Abtreibungen durchzuführen und führt zu einer zunehmenden medizinischen Unterversorgung der Frauen. Gleichzeitig verschärft sich die Situation durch die Tatsache, dass der Schwangerschaftsabbruch einen zu geringen Anteil an der gynäkologischen Fachärztinnenausbildung einnimmt. Wenn alles so bleibt wie es ist, dann geraten viele ungewollt Schwangere in eine noch überfordernde Situation, als sie es ohnehin schon ist. Es darf nicht sein, dass ungewollt Schwangere keine ausreichenden Versorgungsstrukturen vorfinden. Wir können nicht zulassen, dass Ärztinnen kriminalisiert werden und § 219a StGB sie in juristische Grenzbereiche drängt.
Schwangerschaftsabbrüche raus aus dem Strafgesetzbuch
Die Forderung nach einer Streichung des § 218 ist nicht neu. Unter dem Slogan: »Mein Bauch gehört mir!« wird seit Jahren im öffentlichen Protest die körperliche Autonomie und das Persönlichkeitsrecht der Frau eingefordert. Es ist nicht mehr als die Forderung nach Selbstbestimmung über den eigenen Körper, nach umfassender sexueller Aufklärung und selbstbestimmter Sexualität. Das sind eigentliche Grundverständnisse einer gleichberechtigten Gesellschaft, die aber eben nicht mit dem Vorhandensein des § 218 im Strafgesetzbuch vereinbar sind. Eine bevormundende Politik und Gesellschaft hilft keiner ungewollt Schwangeren in ihrer Entscheidung, sondern stigmatisiert Frauen. Keine ungewollt Schwangere entscheidet sich unbedacht und leichtsinnig für einen Schwangerschaftsabbruch. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht zu einer steigenden Zahl von Abbrüchen führt, sondern nur zu einer besseren medizinischen Betreuung und Versorgung. Diese persönliche Entscheidung sollten Betroffene mit sich allein, aber auf der Grundlage von bereitgestellten Informationen und freiwilliger Beratung treffen. Hilfestellung verstehen wir in dieser Lebenssituation als Beitrag hin zur reproduktiven Selbstbestimmung der Frau.
Wir fordern:
- Die Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch und damit die Entkriminalisierung von selbstbestimmten Schwangerschaftsabbrüchen, sowie die Schaffung gesetzlicher Regelungen von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches.
- Ungewollt Schwangere sollen unabhängig von ihrem Lebensort, ihrer Herkunft oder ökonomischen Lebensumstände einen freien Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche erhalten.
- Als logische Konsequenz der Streichung von § 218 auch die Streichung des § 219a aus dem StGB.
- Freien Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln und die gezielte Erforschung von Verhütungsmethoden für Männer.
- Eine Bedarfs-Erhebung auf Bundes- oder Landesebene, wie viele Ärztinnen und Praxen benötigt werden, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.
- stärkere Befassung mit Schwangerschaftsabbrüchen im Medizinstudium, für bereits abgeschlossene Studiengänge, qualifizierte Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten.
- Einen Schutz der ungewollten Schwangeren und Beratungsstellen vor sog. „Gehsteigbelästigungen“ zu gewährleisten (evtl. Prüfung über Möglichkeiten eines neuen Ordnungswidrigkeitstatbestandes)
- Die Erhaltung des gut ausgebauten und durch das Land finanzierten Netzes von Schwangerschaftsberatungsstellen.
- Angebote der sexuellen Bildung in Nordrhein-Westfalen sollen ausgebaut werden.