Wir Europäer*innen müssen uns unserer humanitären Verantwortung stellen

Ihr kennt sie diese Erlebnisse, die man nie vergisst, oder?

Wenn ich die Berichte über die Aufnahme der jugendlichen minderjährigen Flüchtlinge, um genau zu sein insgesamt 43 Jungen und 4 Mädchen, jetzt sehe, dann fällt mir ein Erlebnis ein, über das ich im Freundes- und Bekanntenkreis bestimmt schon hundertfach berichtet habe.

Es muss 2011 oder 2012 gewesen sein: Ich war zu dieser Zeit für die Öffentlichkeitsarbeit bei der AWO Dortmund zuständig, als ich einen Anruf meiner hochgeschätzten Kollegin von der Auslandsgesellschaft erhielt. Diese hatte eine Interviewanfrage. Eine große lokale Zeitung wollte ein Interview mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die zu dieser Zeit einen Sprachkurs bei der Auslandsgesellschaft absolvierten und bei der AWO wohnten, durchführen. Die Kollegin bat mich dabei zu sein.

Und dann ging es los: Nach den üblichen Fragen, woher die Jugendlichen stammten und wie lange sie schon in Deutschland lebten, kam die Frage, was für sie typisch deutsch sei. Die erste Interviewpartnerin antwortete, dass hier so akribisch der Rasen geschnitten würde, der zweite Gesprächspartner wunderte sich über die strikten Zeiten der Mahlzeitenaufnahme und ja dann kam der dritte Jugendliche. Er atmete tief ein und antwortete sichtlich bewegt, dass in Deutschland keine Bomben auf den Straßen lägen. Stille tat sich auf. Bei allen Anwesenden. Betretende Stille. Niemand wusste so richtig, wie jetzt zu reagieren sei. Erst nach einigen Sekunden fingen die Gespräche wieder an…

Warum berichte ich heute über dieses Erlebnis, obwohl ich doch weiß, dass die Situation der Flüchtlinge, die nun aus Griechenland einreisen werden, anders ist? Nur ob sie besser ist, kann wohl niemand beantworten. Ich glaube, darum geht es auch gar nicht. Vielmehr muss es darum gehen, dass wir uns unserer Verantwortung stellen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Zahl 47 jetzt hochgejubelt wird. Übertroffen nur noch von der Ankündigung, dass jetzt noch 350 bis 500 geflüchtete Jugendliche folgen werden. Ja sagt mal, wo leben wir denn?

Auch diese Frage kann ich beantworten: Wir leben in Deutschland. In Europa. Und obwohl ich weiß, dass es vielen von uns jetzt trotz dieses katastrophalen Virus nicht gut geht, müssen wir Europäer*innen uns dennoch unserer humanitären Verantwortung stellen. Wir dürfen die Menschen in den Flüchtlingscamps in Griechenland nicht im Stich lassen! Als Europäerin sehe ich mich auch in der Verantwortung an die Solidarität der anderen europäischen Länder zu appellieren und Griechenland mit dieser großen Aufgabe nicht alleine zu lassen.

Die Corona Krise ist furchtbar. Keine Frage! Sie darf aber nicht dazu führen, dass wir andere humanitäre Probleme aus den Augen verlieren. Lasst uns aufmerksam und solidarisch sein, wie es sich für menschliche Europäer*innen gehört. Und da können unsere derzeitigen Bemühungen nur ein Anfang sein!

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