Nordrhein-Westfalen schon immer Vorreiter bei der Frauenförderung

Vor 20 Jahren (am 11.11.1997) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass das NRW-Frauenförderungsgesetz aus dem Jahr 1989 mit europäischem Recht vereinbar ist.

Damit wurde durch den EuGH ein jahrelanger Rechtsstreit um eine leistungsbezogene Frauenquote im öffentlichen Dienst beendet. Die EuGH Richter machten hierbei deutlich, dass die bisherigen Rechtsvorschriften nicht ausreichten, um alle faktischen Ungleichheiten zu beseitigen. Der Urteilspruch schrieb Rechtsgeschichte über NRW hinaus. Er beendete die unendliche Geschichte der juristischen und politischen Auseinandersetzung über verbindliche Quoten als Instrument zur Herstellung der Gleichstellung der Geschlechter. Das Frauenförderungsgesetz wurde 1989 mit der absoluten Mehrheit der SPD-Landtagsfraktion gegen die Stimmen von CDU und FDP beschlossen.

Anlässlich dieses besonderen Jahrestages haben wir uns sehr gefreut, unsere ehemalige Gleichstellungsministerin Ilse Ridder-Melchers in unserem Arbeitskreis begrüßen zu dürfen. In einem intensiven Gespräch konnten wir uns rückblickend über die Bestrebungen und auch Widerstände in der damaligen Gleichstellungspolitik austauschen.

Die ehemalige Gleichstellungsministerin Ilse Ridder-Melchers (l.) berichtete den Mitgliedern des AK Gleichstellung und Frauen der SPD-Landtagsfraktion die Entstehung des Frauenförderungsgesetz, aus dem später das Landesgleichstellungsgesetz und die Gleichstellungsregelungen im Beamtengesetz hervorgingen.

Ilse berichtete über die Beweggründe als zuständige Parlamentarische Staatssekretärin für die Erarbeitung eines Frauenförderungsgesetzes: Seit 1985 gab es in NRW ein Frauenförderungskonzept als Erlass für die Landtagsverwaltung mit unverbindlichen Regelungen. Da dieser Erlass aber keine große Wirkung entfaltete, entstand der Entschluss, ein Frauenfördergesetz mit einer verbindlichen Frauenquote zu erarbeiten. Als Grundlage diente ein Rechtsgutachten des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Prof. Dr. Ernst Benda, welcher den Begriff der strukturellen Diskriminierung prägte und eine leistungsbezogene Quote mit Öffnungsklausel für vereinbar mit dem Grundgesetz erklärte. Die Spannbreite der Reaktion war breit: Von erheblichen Bemühungen, sich dem Einfluss dieses Gesetzes zu entziehen bis über die Aussagen, dass das Gesetz nicht weit genug reiche.

Mit dem Frauenförderungsgesetz wurde ab dem 1.12.1989 juristisches Neuland betreten. Es folgten zahlreiche juristische Auseinandersetzungen über verschiedene Instanzen hinweg, bis 1995 das NRW-Frauenförderungsgesetz dem EuGH zur Klärung vorgelegt wurde

Diese rechtlichen Auseinandersetzungen haben Unsicherheit in der politischen und auch gesellschaftlichen Ebene gestreut und somit die Akzeptanz und Anwendung dieses Gesetzes nicht gefördert. Dass die SPD-Landtagsfraktion diesen massiven Widerständen im Parlament, in Teilen des Öffentlichen Dienstes und in den Medien Stand gehalten hat, zeugt von Weitsichtigkeit und Mut.

„Wir waren erleichtert, weil endlich juristische Klarheit herrschte und wir waren glücklich, dass der EuGH nicht nur das NRW-Frauenförderungsgesetz juristisch bestätigte, sondern ausdrücklich die Notwendigkeit von Frauenförderung zum Ausgleich bestehender Nachteile betonte.“

Mitglieder des AK Gleichstellung und Frauen der SPD-Landtagsfraktion trafen sich mit Ilse Ridder-Melchers. V.l.: AK-Sprecherin Anja Butschkau, Ausschussvorsitzende Regina Kopp-Herr, Ilse Ridder-Melchers, Staatsministerin a.D., Eva Lux und Leutrime Grainca (Fraktionsreferentin).

Nach dem Urteil des EuGH gab es Rechtssicherheit und der Weg für ein umfassendes Landesgleichstellungsgesetz, mit der Quotenregelung als Kernstück, war frei. Der vierte Bericht zur Frauenförderung im Öffentlichen Dienst zeigte die Erfolge dieses Gesetzes: Der Frauenanteil im höheren Dienst hat sich von 1999 bis 2012 nahezu verdoppelt. Es zeigten sich aber auch Probleme. Die Ausdifferenzierung der Leistungsmerkmale machte einen Qualifikationsgleichstand und damit die Anwendung der Quote zum Ausnahmefall. Die Quotierungsregelung wurde folglich ausgehebelt. Diese Defizite wurden im Rahmen der Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes durch die rot-grüne Landesregierung 2016 aufgearbeitet. Mit dem Rückschritt durch die neue Landesregierung, ohne eine Alternative vorzulegen, werden die Defizite von Frauen in Führungspositionen weiterhin Bestand haben.

Wir danken Ilse Ridder-Melchers für diese aufschlussreichen Darstellungen und sehen erschreckender Weise zahlreiche Parallelen bezüglich der Widerstände zu frauenfördernden Gesetzgebungsprozessen. Den neuen Kurs in der Gleichstellungspolitik von Schwarz-Gelb werden wir sehr kritisch beobachten und auf den Prüfstand stellen.

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